Die Gemeinde Reischach im oberbayerischen Landkreis Altötting beabsichtigt auf dem Gelände des ehemaligen Rathauses ein Projekt mit bezahlbarem Wohnraum und einem kleinen Laden zu verwirklichen. Eine hohe Wohnqualität in zukunftsfähigen und bezahlbaren Wohnungen war gemäß Auslobung gefordert. Auch die Freiflächen sollten eine hohe Aufenthaltsqualität gewährleisten. Weitere zu berücksichtigende Aspekte waren ökologische Faktoren sowie Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Klimaanpassung.
Nach der Preisgerichtssitzung am 22.05.2023 gratulierte Alfred Stockner, Erster Bürgermeister der Gemeinde Reischach, unserem Büro (in Kooperation mit Landschaftsarchitekten Richard Weidmüller) zum 1. Platz in diesem Wettbewerb.
Gerne stellen wir hier unseren Wettbewerbsbeitrag vor.
Städtebauliches Konzept
Die Bebauung ist in Form von drei gestaffelten Atrien-Baukörpern konzeptioniert, die das Grundstück in Dichte und Körnung angemessen ausnutzen. Ein Versatz der Flügel zueinander markiert den Zugang zum jeweiligen Atrium, wobei die zueinander gedrehten Firste den Charakter einer feineren städtebaulichen Körnung trotz der geforderten erhöhten Dichte bieten. Ergebnis sind vom Lärm geschützte und zum Naturraum orientierte Innenhöfe, die den Wohnwert erheblich verbessern. Die in der Ausschreibung geforderte hohe Dichte ist gerade hinsichtlich des geringen Ressourcenverbrauches im Verhältnis zum geschaffenen Wohnraum berücksichtigt.
Erschließung
Fußläufig o sind die Atrien über einen zentralen Treppenraum im Gebäudeversatz erschlossen. Eine Stützwand im Süden ermöglicht die Erschließung der Wohngeschosse des östlichen Atriums auf Höhe des 1. Obergeschosses. So wird der Tiefgaragendeckel zur Anlage des zentralen Gemeinschaftshofes genutzt. Die Tiefgarage samt Nebennutzungen ist entsprechend der Stellplatzsatzung minimal ausgelegt und wird von der Südost-Ecke des Grundstückes, im Erdgeschoss des östlichen Atriums ohne weitere Rampen erschlossen. Dies ermöglicht eine natürliche Belüftung der Tiefgarage und spart somit hohe Energie- und Wartungskosten. Von der Tiefgarage aus sind sämtliche Treppenräume barrierefrei erreichbar. Die verkehrsberuhigte Erschließungsstraße im südlichen Grundstücksbereich ist künstlich über Bepflanzung << und bietet so eine sichere Durchquerung für Fußgänger und Radfahrer.
Freiflächen
Zentraler Innenhof
Der Hof erfüllt mehrere Freiraumfunktionen: Hochbeete laden zum gemeinsamen Gärtnern ein, attraktive Spielgeräte animieren die Kinder zur Bewegung, Sitzmöglichkeiten stellen einen Ort für Entspannung und Kommunikation dar. Die Loggien sind mit Heckenelementen von der Gemeinschaftsfläche abgeschirmt. Viele kleinkronige klimaresiliente Blütenbäume auf der Tiefgaragendecke schaffen Schattenzonen und mildern die Vis-à-Vis-Beziehungen der Wohnungen. Die erdgeschossigen Wohnungen erhalten einen umlaufenden individuellen privaten Freibereich.
Landschaftliche Einbindung
Die aufgrund der topographischen Verhältnisse ohnehin für Freizeit- und Wohnzwecke kaum geeignete östliche Übergangsfläche zum Bachlauf wird naturnah als besonnter, pflegearmer, artenreicher Blumen-/Kräuterrasen mit autochthonen Saatgutmischungen angelegt. Das westliche Ufer des Reischachbachs sichern zusätzliche Auengehölze die auch eine Beschattung des Wasserlaufs leisten und so die sommerliche Wasserqualität verbessern.
Wege- und Verkehrsflächen
Sämtliche Zugangs- und Zufahrtswege werden mit wasserdurchlässigem Betonpflaster belegt. Die Befestigung der Wege und des zentralen Platzes im Innenhof erfolgt mit einer kostengünstigen und klima-freundlichen stabilisierten wassergebundenen Decke.
Pflanzkonzept
Wo immer möglich erfolgt eine Pflanzung von Klimabäumen. Auf pflegeintensive Strauch-, Bodendecker- und Staudenpflanzungen wird verzichtet.
Wohnungsgliederung
Die Grundrisse samt innerer Erschließung werden den Anforderungen zum Lärmschutz gerecht. Dennoch war das Ziel ineffiziente Laubengangerschließung zu vermeiden und die Wohnungen auch nach Ost-West oder Nord-Süd durchstecken zu können, um sämtliche Himmelsrichtungen für die Nutzer erlebbar zu machen. Dabei sind die Nasszellen und das statische Tragsystem so konzeptioniert, dass selbst nach Nutzungsaufnahme noch Änderungen im Wohnungszuschnitt vollzogen werden könnten. Sämtliche Wohnungen und der Zugang zu den Wohnungen sind nach der DIN 18040 Barrierefreies Wohnen geplant.
Lärmschutz
Die Bebauung ist konsequent auf einen optimierten Lärmschutz ausgelegt. Lärmabgewandte Innenhöfe bieten Erholung und Ruhe. Die Schlafräume sind konsequent lärmabgewandt orientiert, lediglich 6 Individualräume der gesamten Wohnanlage benötigen voraussichtlich eine Kastenfensterlösung.
Ressourcen
Abbruch Bestand
Um den Ressourcenverbrauch der Neubauten zu reduzieren, soll Abbruchmaterial aus den Bestandsgebäuden verwendet werden. Geplant ist es, die Tragschichten aus vor Ort geschreddertem Abbruchmaterial (Recyclingschotter) zu erstellen.
Wasserrückhaltung / Grauwassernutzung
Zur Wasserrückhaltung, Grauwasser- und Bewässerungsnutzung ist je Atrium eine Zisterne im Untergeschoss vorgesehen. Zum Schutz vor Extremwetterereignissen wird ein Notüberlauf mit angeschlossener Schachtversickerung realisiert. Sofern eine umweltrechtliche Genehmigung erteilt wird, können in Trockenperioden die Zisternen auch aus dem Bachlauf über Vorfilterung gespeist werden.
Wassersensibles Bauen
Um einen Schutz vor Überflutung zu gewährleisten, ist eine Anhebung des Erdgeschosses von 10 cm über Erdniveau geplant. Die Erschließung soll, aufgrund der gewünschten Barrierefreiheit, über Rampen mit leichtem Gefälle erschlossen werden. Sollte die Tiefgarage planbar im HW 100 überflutet werden, kann auf eine großflächige Bodenplatte verzichtet werden.
Wirtschaftliche, kompakte Bauweise
Die kompakte Bauweise ermöglicht viel Wohnraum mit geringem Grundstücksanteil. Der wirtschaftliche Mehrwert kann damit in klimafreundliche Konstruktion und Gebäudetechnik reinvestiert werden. Das günstige A/V-Verhältnis (< 0,5) ermöglicht entwurfsbedingte geringe Wärmeverluste. Dies wird zudem begünstigt durch Unterteilung in beheizte Wohnbereiche und unbeheizte Durchgangsflächen sowie Kaltdächer.
Energie- und Wärmedachflächen
Die Dachflächen werden vollflächig solar genutzt. Solare Brauchwassererwärmung (via Schichten-Pufferspeicher) sowie batteriegepufferte PV-Module sind vollflächig in die Dachflächen integriert. Ein Energiemanagement ermöglich zudem in Spitzenlasten den Überstrom in parkende E-Fahrzeuge einzuspeisen. Der erzeugte Eigenstrom wird primär zum Betrieb der zentralen Luft-Wasser-Wärmepumpe verwendet.
Wärmeerzeugung
Eine zentrale Luft-Wasser-Wärmepumpe dient als Wärmeerzeuger und beschickt über ein Wärmeverteilnetz die auf je 9 Haushalte auskömmlich ausgelegten Schichtenpufferspeicher eines jeden Atriumbaukörpers. Der Wirkungsgrad wird über Abwasserwärmetauscher (sowie bei umweltrechtlicher Genehmigung einem Bauchlaufwärmetauscher) erhöht. Im Sommer kann passiv Kühlenergie über die Raumflächen abgegeben werden.
Konstruktion
Die Gebäude (Wand und Deckenbauteile) sind in Holzmassivbauweise konstruiert. Der Aufzugskern und Treppenraum in Stahlbeton ist auf ein statisches Minimum beschränkt und dient der Aussteifung. Die Tiefgaragenwände inkl. Fundamentierung werden in Stahlbeton ausgeführt. Ist eine planmäßige Flutung der Tiefgarage im HW 100 vom Eigentümer tragbar, so kann auf eine gegen Wasserdruck gesicherte Bodenplatte verzichtet werden und durch einen Pflasterbelag mit Verdunstungsrinnen ersetzt werden. Nichttragende Innenwände werden in Gipskarton auf Holz-Unterkonstruktion ausgeführt und so wird der ressourcenintensive Einsatz von Metall reduziert und das Gebäude bleibt flexibel in der Grundrissgestaltung im Falle eines geänderten Bedarfes. Die Außenwände sind hinterlüftet und mit Holzfaser diffusionsoffen konstruiert.
Rückbau und Recycling – BIM-Technologie
Durch die Planung als digitaler 3D-Gebäudezwilling (BIM) kann sowohl der CO2 Aufwand zur Gebäudeerstellung ermittelt, Mehrwert im Facility Management erzielt, aber ebenso Daten für den Rückbau der Bauteile und Fügungsarten hinterlegt werden. So können Rohstoffe gezielt katalogisiert und nach dem Rückbau wiederverwertet werden. Die Außenwände sind hinterlüftet und demontierbar konstruiert. Der Holzbau kann komplett sortenrein rückgebaut werden. Die TG-Wände und Aufzugskerne können in Form vom Recyclingbeton aufbereitet werden.
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Nummer
P2310
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GR
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BGF
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Planungszeitraum
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Ausführungszeitraum
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Leistungen
Gebäudeplanung LPH 1-2
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Wohnfläche
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Nutzfläche
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Fotografien
PURE GRUPPE
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Auszeichnungen
1. Preis im Realisierungswettbewerb